Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin – Mosaiken und Erinnerungen
Mosaiken to go | Aus der alten Kirche | Erinnerungen
Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin als Mosaik-Steinbruch –
Mosaiken to go bzw. zur Wiederverwendung
(Erweiterte Fassung von Exkurs 2 zum Kölner Opernbrunnen)
Im März 2017 beschrieb ich in "Momentum", der Halbjahresschrift der Gedächtniskirche, das Schicksal des Petrus-Kopf-Mosaiks aus dem Triumphbogen der alten Kirche, der ja 1966 im Kölner Opernbrunnen landete. Diese Geschichte steht beispielhaft für Mosaik, das als Spolie woanders hin verfrachtet wurde. In Potsdam befindet sich eine viel größere Mosaikfläche, der mal ein Umzug zugemutet wurde. In der Apsis der Friedenskirche prangt ein Christus-Mosaik, das 1847 vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. aus Venedig hergeholt wurde. Dort befand es sich in der mittelalterlichen Kirche San Cipriano auf der Insel Murano. Transport (auf dem Wasserweg) und Wiedereinbau gerieten zu einer spektakulären Aktion. 2018 soll es zum ersten Mal nach 171 Jahren restauriert werden.
Mosaikflächen verführen aber auch zur illegalen Mitnahme einzelner Steine. Gesehen habe ich das in der Grabeskirche in Jerusalem sowie in den wilhelminischen Erlöserkirchen Gerolstein, Bad Homburg und Mirbach. Hier waren jeweils private Souvenirjäger am Werk – wobei sie sich in der Grabeskirche vielleicht mit dem Gedanken rechtfertigen konnten, sie hätten Reliquien ergattert.
Das Kriegsrecht lässt aber auch organisierten Diebstahl legal erscheinen. Wer weiss schon, dass viele Goldglassteine im Markusdom in Venedig aus der Hagia Sofia in Konstantinopel stammen? Sie gehörten zu der Beutekunst, die die Venezianer von ihren Eroberungszügen im östlichen Mittelmeer-Raum mitbrachten. (Hoffentlich kommt Erdogan nicht auf die Idee, diese Goldgläser zurückzufordern – für die Hagia Sofia, die er wieder in eine Moschee zurückverwandeln möchte!)
Eine rechtliche Grauzone ist die Mitnahme von Mosaiken aus im Krieg versehrten Bauten, wie es in Gerolstein nach 1945 geschah, als ein großes Loch in der Außenwand der Kirche klaffte. In Berlin wurden nach dem Krieg aus beschädigten Gebäuden, und zwar mit Vorliebe aus Häusern des Großbürgertums, Baudekoration, Stuckornament und Mosaikmaterial entwendet. Eine kleine Mosaikwerkstatt im Südosten von Berlin, 1945 als Abspaltung von Puhl & Wagner entstanden, besitzt z.B. viele braune Smalten aus Hitlers Reichskanzlei; die Farbe überrascht bei dieser Herkunft nicht.
Bild 1: Smalten aus der Reichskanzlei (Foto: Georg-D. Schaaf, 2016)
Die Mosaiken in der Reichskanzlei wurden von Puhl & Wagner angefertigt. Die Firma hatte sich nach 1933 den Nazis angedient, weil sie (zu Recht!) annahm, dass dieselben sich auch wieder gerne der "bunten Würfel der Macht" (Dorothea Müller, Frankfurt 1995) bedienen würden.
Vom Berliner Künstler Gerhard Schultze-Seehof wird gesagt, dass er Mosaikmaterial aus der Gedächtniskirche weiterverarbeitet habe. Dies soll, so seine Witwe, z.B. in einer übermannshohen Vase der Fall sein, die vom Berlin der Volksmund "Schwangere Filzlaus" genannt wird. Die Vase, 1957 entstanden, steht auf dem Kurfürstendamm/Ecke Uhlandstraße. Auf einem privaten Foto ist Schultze-Seehof zu sehen, wie er, eine Tragetasche in der rechten Hand, aus einem Fenster im Parterre kommend, über die vor dem Haus angehäuften Trümmer balancierend hinuntersteigt. U. Conrads schreibt auf der Rückseite: "Der Sammler Georg Schultze-Seehof klaubt in den Ruinen am Ku-Damm den Mosaikflitter der Gründerzeit." (Das Bild kann beim Autor eingesehen werden.) Andere Mosaiken von ihm aus dieser Zeit sind die "Trümmerfrauen", das "Mahnmal für den Wiederaufbau Berlins" (ein zwölf Meter hoher Obelisk in Berlin-Wedding) und ein "Schmuckbogen" in Berlin-Tegel. Der Berliner Senat hatte dem Künstler ein Atelier im "Bendler-Block" zur Verfügung gestellt, wo ihm seine Frau bei der Erstellung von Mosaiken assistierte. Nun wieder zur Gedächtniskirche.
Bild 2: Blick in den Chorraum 1954 (Foto: Friedrich Seidenstücker; mit freundlicher Genehmigung des Landesarchivs Berlin; 290 [02] Nr. 0172783)
Der Triumphbogen vor dem Chorraum war mitsamt seiner Mosaizierung nach dem Krieg vollständig erhalten. Die bedeutendsten Motive im Triumphbogen waren die Apostel Paulus und Petrus.
Bild 3: Das Paulus-Mosaik 1951 (?). (Foto Bert Sass, mit freundlicher Genehmigung des Landesarchivs Berlin; 290 [02] Nr. 0014499)
Die wahrscheinlich letzte Aufnahme, auf der Petrus zu sehen ist, bevor er von Puhl & Wagner vor dem Abriss der Ruine 1957 wieder entnommen wurde, weist schon eine größere Fehlfläche auf.
Bild 4: Das Petrus-Mosaik 1955. Dieses Bild ( einsehbar auch im Heft Momentum 15, 2017) ist das einzige mir bekannte Farbfoto aus dem Inneren der Gedächtniskirche; Thies Schöning hat seine Farbigkeit entdeckt. Es verwundert, dass die ca. 3000 Quadratmeter große Mosaizierung in der Gedächtniskirche offenbar nie vollständig fotografisch dokumentiert wurde, schon gar nicht farbig, obwohl im Krieg doch eine drohende Zerstörung wahrscheinlich wurde. (Foto: Fritz P. Krueger, mit freundlicher Genehmigung des Evangelischen Landeskirchenarchivs Berlin).
Das Mosaik direkt links um die Ecke vom Petrus zeigt drei Engel mit Blasinstrumenten. Links und in Teilen der Umschrift ist das Mosaik mitsamt seinem Untergrund verschwunden; unten ist immerhin noch das Mörtelbett erhalten. Diese Schäden könnten vielleicht schon auf Kriegseinwirkungen beruhen. Zehn Jahre Witterungseinfluss können aber auch ihr Teil zum Verschwinden beigetragen haben. Die an der Basis des Triumphbogens fehlenden Flächen lassen sich wahrscheinlich durch späteres menschliches Eingreifen erklären: Hierhin konnte man ja auch ohne ein Gerüst gelangen (zwei Bretter sind zu erkennen). Doch was ist mit dem Petrus-Mosaik im Bereich zwischen den Knieen und der Taille? Wetter oder Menschenhand? Die zweite Möglichkeit setzt den Einsatz eines Klettergerüsts voraus. Hatten Puhl & Wagner hier vielleicht geprobt, wie man die Krönung des Petrus-Mosaiks, nämlich den Kopf, am besten würde entnehmen können?
Der Kopf landete, wenn auch mit kleinen Ausbesserungen, so doch als vollständiges Mosaikbild im Herbst 1966 im Kölner Opernbrunnen. Aber schon bald nahm er am neuen Ort neuen Schaden: Ca. 80 helle Stellen sind zu sehen.
Bild 5: Petrus im Brunnen, ca. 1970 (Fotokopie: Heimatmuseum Neukölln)
Verursacht wurden die hellen Stellen wohl vom Kölner Wasser. Sie sind Vertiefungen, in denen sich Kalk abgelagert hat. Nun könnte man fragen, was das die Berliner noch anginge.
Um die Entstehung dieser Fehlstellen zu erklären, konsultierte ich den Münchener Mosaikfachmann Manfred Hoehn. Dieser kennt das Glasmaterial von Puhl & Wagner gut, hat er doch selbst nach der Schließung der Firma eine ganze LKW-Ladung von Neukölln nach München verfrachtet. Er konnte mir die Frage beantworten, warum genau diese ca. 80 Smalten verschwanden, nicht aber die anderen: Puhl & Wagner hatten 1895 auch Smalten in den Petrus-Kopf gesetzt, die nicht ganz durchgeschmolzen/durchgebrannt waren. Im Inneren der Kirche erfüllten sie voll ihre farbige Funktion; aber für stetige Bewässerung waren sie nicht geschaffen. So lösten sie sich teilweise auf. Die Glasschmelzer in Treptow konnten 1895 ja auch nicht ahnen, dass ihr Glasmaterial mal dem Kölner Wasser ausgesetzt sein würde!
Und die Moral von der Geschicht'? Als zweifacher Fugenpate des Turms der alten Gedächtniskirche glaube ich an Fügungen. Mosaiken werden gefügt, und die Fugen dazwischen sind nicht nur Lückenbüßer, sondern gestalterischer Bestandteil der Mosaikflächen. Die "Fuge" in der Musik ist eine andere Ordnungskategorie. Und doch nähert sich diese der Linienführung von Mosaiksteinen in den sogenannten andamenti, bei denen die Steine nicht einfach nur punktuell neben – oder übereinander gesetzt werden, sondern Wege bilden: Führungen.
Gute Führung und richtige Fügung reichen dann aber nicht, wenn das Geführte und Gefügte Elementen ausgesetzt wird, für die es nicht geschaffen wurde. Wasser und Wetter haben darüber entschieden – und geschieden. An die Mosaiksetzer von 1895 in Treptow: Ihr konntet wahrlich nicht wissen, was mit eurem Werk 71 Jahre später passieren würde! (Weiß ich, was mit meinen Texten im Jahr 2088 passiert?!)
Siehe auch Exkurs 2 und Exkurs 5 zu "50 Jahre Opernbrunnen in Köln – ein Berliner Mosaik-Mix am Rhein"
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Ein Mosaikbild aus der alten Kirche
Im Archiv der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche befindet sich dieses Mosaik:
Bild 1: Abbildung mit freundlicher Genehmigung von Pfarrer Martin Germer (Photo: Udo W. Hombach)
Der Rahmen ist typisch für Einzelarbeiten aus der Werkstatt Puhl & Wagner; häufig sind dies Ausschnitte aus größeren Darstellungen.
Das Bild zeigt die Köpfe dreier Menschen, die hingebungsvoll und ehrfürchtig jemandem lauschen: Christus bei der Bergpredigt; wie gebannt blicken sie im wörtlichen Sinne zu ihm auf. Das Bild ist Teil der mosaizierten Seitenfläche der Empore rechts von der Kanzel, gestaltet von Ernst Pfannschmidt 1902/1903, fertiggestellt 1904.
Bild 2: Entwurf zum Emporenmosaik "Bergpredigt". Ganz links erkennt man die drei lauschenden Menschen. (VFZ, Seite 236; mit freundlicher Genehmigung des Gebr. Mann Verlags)
Das Mosaik "'Bergpredigt' nimmt die Tradition des lehrenden Christus auf", der "zu den sehr alten Themen der Apsismalerei... in der Westkirche" gehört. "In Rom konnte Pfannschmidt dazu das Apsisfresko von Zuccari in S. Sabina studieren" (VFZ, Seite 241, Anm. 112).
Bild 3: Entwurf zum Emporenmosaik "Einzug in Jerusalem" (VFZ, Seite 237; mit freundlicher Genehmigung des Gebr. Mann Verlags)
Beim Mosaik "Einzug in Jerusalem" (es befand sich in der linken Seitenempore) ist das "Volk teils orientalisch, teils europäisch gekleidet. Pfannschmidt war in allen Darstellungen darauf bedacht, auch Identifikationsfiguren für den deutschen oder europäischen Kirchenbesucher zu finden" (VFZ, Seite 242).
"Am 11. Februar 1904 schrieb Pfannschmidt an die Mosaikwerkstätten, dass nun die Kartons auf dem Weg von Rom nach Berlin wären. Die Abhängigkeit vom frühchristlichen Mosaik wurde auch in seiner Beschreibungsart deutlich: 'Ich habe auch einen Kopf mitgeschickt, eine Kopie, die ich in SS. Cosma e Damiano nach dem Paulus gemacht habe... Ist das Kopftuch der links sitzenden Frau (Bergpredigt) mit diesem Weiß gesetzt, so wird der Ton mit Hilfe des durch die kleinen Steinchen entstandenen Netzes richtig werden. Wie meine Absicht überhaupt ist, das Netz nicht zurücktreten zu lassen, sondern erst recht mitreden zu lassen'" (VFZ, Seite 242). Pfannschmidt spricht hier offensichtlich die Fugenstruktur und die sog. andamenti an, womit Linienführungen beim Setzen der Steine gemeint sind.
Bild 4: Das Mosaik im Archiv (Ausschnitt) (Foto: Udo W. Hombach)
"Ernst v. Mirbach nannte die Pfannschmidtschen Mosaike die ‚vier größten und wertvollsten Darstellungen im Inneren der Kirche.' Sie müssen allgemein Anklang gefunden haben, denn die Himmelfahrtskirche in Jerusalem und die Erlöserkirche in Essen erhielten später Repliken dieser Mosaiken" (VFZ, Seite 242). In Essen ist im Krieg leider die gesamte Innenausstattung verloren gegangen. Auf dem Ölberg finden sich tatsächlich die "Geburt" und die "Kreuzigung" wieder (die Geburt als "Anbetung des Kindes", leicht modifiziert wie auch die "Kreuzigung"), nicht aber die "Bergpredigt" und der "Einzug in Jerusalem". (Der wird mit einem beeindruckenden Gemälde auf der westlichen Empore der Himmelfahrtkirche gefeiert.) Allerdings befindet sich über dem westlichen Emporenportal eine kleinere Mosaiklünette, auf der Jesus den Jüngern den Untergang Jerusalems prophezeit. Die drei Jünger bilden eine ähnliche Personengruppe wie die drei Menschen im Berliner Archivmosaik.
1987 fand in der Gedenkhalle der Gedächtniskirche eine Sonderschau statt: "Mosaike – ein altes Kunsthandwerk". Sie war organisiert von Raimund Franke, einem Mitarbeiter von Puhl & Wagner. Dort zeigte er eigene Arbeiten. Eine davon war 1985 auch schon im Museum Neukölln ausgestellt worden, auf der von Dr. Annemarie Richter kuratierten Ausstellung "In Kaiser's und Onassis' Diensten – Die Deutsche Glasmosaik-Anstalt Puhl und Wagner in Neukölln".
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Bild 5: Ausstellung im Heimatmuseum Neukölln 1985/ Der Engel, die Kopie von Raimund Franke nach einem Original in Ravenna, ist leider teilweise durch ein Gestänge sichtbehindert. Das Bild wurde mir von R. Franke zur Verfügung gestellt.
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Über die Sonderschau 1987 in der Gedächtniskirche berichtet ein ganzseitiger Artikel in: "Rund um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche und Kirchliche Nachrichten der Evangelischen Gemeinden in Berlin-Charlottenburg" Nr. 456, September 1987, 42. Jahrgang. Gut möglich, dass das Mosaikbild, das jetzt im Archiv steht, dort auch zu sehen war. Vielleicht gibt es noch Zeitzeugen, die sich erinnern; es ist ja erst dreißig Jahre her...
Literaturhinweis: Vera Frowein-Ziroff, Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche – Entstehung und Bedeutung. Berlin 1982 (VFZ)
Alle Zitate sowie die Bilder 2 und 3 sind diesem Buch entnommen.
Nachtrag
Nach der ersten Rezeption meines Artikels in Berlin hat sich ein Zeitzeuge zu Wort gemeldet. Gerhard Limpach, ehemaliger Archivar an der Gedächtniskirche, teilt mit:
Bei dem im Archiv der Gemeinde vorhandenen Mosaik handelt es sich um eine Probearbeit, die seinerzeit im Auftrag von Prof. Pfannschmidt zu seinen Mosaikentwürfen von der Firma Puhl & Wagner gefertigt wurde. Dieses Mosaik wurde bei der Auflösung von Puhl & Wagner dem Mitarbeiter Raimund Franke als Abfindung überlassen. Herr Franke hat das Mosaik der Kirchengemeinde zum Kauf angeboten, die es für 4.500 DM erworben hat. Zur Sonderschau "Mosaike – ein altes Kunsthandwerk" im Jahre 1987 in der Gedenkhalle ist dieses Probestück zur Ansicht dorthin geschafft und nach Beendigung der Ausstellung ins Archiv der Gemeinde zurückgebracht worden.
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Persönliche Erinnerungen an die Gedächtniskirche – und an Coventry
(alle Fotos, wenn nicht anders bezeichnet, von Udo W. Hombach)
Nach meinen Artikeln über Mosaiken der alten Kirche gehe ich nun aus meiner "mosaikalischen" Gegenwart in meine musikalische Vergangenheit. Es war etwa 1967, als ich bei einem Chorkonzert auf der Empore der neuen Gedächtniskirche stand. Zehn Jahre hatte ich schon in der Kantorei Traben-Trabach/Mosel mitgesungen, dabei vom Knabensopran über den Alt bis zum Bariton absteigend. Der Leiter, Kirchenmusikdirektor Hans-Hermann Kurig, auch mal mein Orgellehrer, spielte u.a. Werke von Olivier Messiaen.
Das gleiche Programm führten wir nur wenig später auch in Coventry auf. Dort hat man die Ruine der alten St. Michaels-Kathedrale als Denkmal stehen lassen. In einer Seitenkapelle der neuen Kirche hängt eine Replik der "Madonna von Stalingrad", deren Original sich ja in der Gedächtniskirche befindet. Mein Vater hatte ein Bild dieser Madonna in seinem Arbeitszimmer. Der erste Verlobte meiner Mutter war in Stalingrad ums Leben gekommen.
An einer Innenwand von Coventry ist ein ca. 3x3m großes Reliefbild aus goldfarbenem Metall zu sehen. Es wurde geschaffen vom Ostberliner Kunstschmied Fritz ("Fritze") Kühn. Es handelt sich um die Stahlwand der Aktion "Sühnezeichen" aus dem Jahre 1961. Die Inauguration erfolgte ohne den künstlerischen Urheber, weil der keine Reiseerlaubnis bekam. Fritz Kühn gehört zu den bedeutenden Metallbildhauern des 20. Jahrhunderts. 1964 wurde er zum Professor berufen. Er starb am 31. Juli 1967. 2014 verweigerte der Berliner Senat die Zustimmung zum Antrag der Grünen und der Linken, sein künstlerisches Erbe zu erhalten!
Die "Madonna von Stalingrad" gemahnt an die Schrecknisse und Gräuel des Zweiten Weltkriegs, aber auch an die der gegenwärtigen Kriege. Ein noch stärkeres Zeichen der Hoffnung auf Frieden sind die Kreuze von Coventry. Ihre Entstehung ist unmittelbare Folge der deutschen Bombardierung in der Nacht vom 14. auf den 15. November 1940. Dieser Angriff erfolgte nur wenige Monate, bevor Stalingrad zum Massengrab wurde. Wiederum nur wenige Monate später begannen die Alliierten mit Flächenbombardements deutscher Städte. Nach dem nächtlichen Luftangriff lagen an zwei Stellen der schwer beschädigten Kathedrale von Coventry jeweils zwei halbverbrannte Holzbalken kreuzweise übereinander. (In den Ausstellungsräumen kann man sie heute noch sehen.) Daraus wurde die Idee geboren, aus den mittelalterlichen Nägeln des alten Gebälks die "Nagelkreuze" zu gestalten. Auch dieses Symbol verbindet Coventry mit Berlin – aber auch mit anderen Gotteshäusern: der Dresdner Frauenkirche, der Kirche St. Nikolai in Kiel und der Münchener Kirche St. Barbara. Ein ganzes Netzwerk spannt sich um dieses Symbol: Die ökumenische Nagelkreuzbewegung setzt sich weltweit für Versöhnung und Frieden ein. In Berlin steht ein Nagelkreuz in der alten Eingangshalle, rechts von der Christus-Statue vom früheren Altar.
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Bild 1–3: Fritz Kühns Relief in Coventry
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Bild 4: Die "Madonna" meines Vaters (Foto: Georg-D. Schaaf)
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Bild 5: Die "Madonna" in Coventry |
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Bild 6: Die Ruine in Coventry
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Bild 7: Ein Balkenkreuz aus Coventry (2009)
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Bild 8: Ein Balkenkreuz nach der Bombardierung
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Bild 9: Ein Nagelkreuz in Coventry (2009)
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Bild 10: Altarkreuz von Fritz Kühn und Inge Pape, 1958, Samariterkirche, Berlin; Höhe: 75 cm, geschmiedet von Fritz Kühn, Fassung vergoldet, Mosaik von Puhl & Wagner, Entwurf: Inge Pape, Berlin |
Bild 11: Schmiedeeiserner Rahmen von Fritz Kühn mit dem Altarkreuz aus der Samariterkirche (Montage: Udo W. Hombach; Foto: Georg-D. Schaaf) |
Bild 12: Ein Nagelkreuz als Anhänger (Montage: Udo W. Hombach; Foto: Georg-D. Schaaf)
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[Anhang: Glocken für den Krieg – Kanonen für Kirchtürme]
Eine Friedenskirche war die alte Kirche nicht. Bereits ihre Einweihung am 1. September 1895 erfolgte am Tag der 25. Wiederkehr des Sieges bei Sedan. So wurde bewusst auf den deutsch-französischen Krieg 1870/71 angespielt, dessen Ausgang das deutsche Kaiserreich unter preußischer Führung ermöglichte. In der Gedenkhalle des alten Turms hängen heute noch mehrere Marmorreliefs an den Wänden, u. a. mit Darstellungen einer Generalstabsbesprechung und einer Szene vom Schlachtfeld. Die Glocken der alten Kirche wurden m. W. aus erbeuteten französischen Kanonen gegossen. Im 1. Weltkrieg wurden sie wieder umgeschmolzen – in Kanonen, die sich gegen Frankreich richteten.
Die Hofglockengießerei Franz Schilling Söhne Apolda, die die Glocken für die Gedächtniskirche gefertigt hatte, schreibt 1927 in einer Firmenschrift auf S. 20 Folgendes: "Der Eroberer hatte nämlich das Recht, die Glocken herunterzuholen und Geschützrohre daraus gießen zu lassen. Napoleon I. wendete im Jahre 1807 das Glockenrecht zum letzten Male in Danzig an. Umgekehrt verwenden wir heute viel Geschützmaterial zum Glockenguss. So wurde aus 22 eroberten französischen Geschützen im Jahre 1874 die größte deutsche Glocke, die Kaiserglocke im Kölner Dom, gegossen, 543 Zentner schwer mit einem Durchmesser von 3,42 Meter. Leider ist dies große Werk aber nicht gut gelungen. Ganz tadellos gelang dagegen das große Geläute der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin, welches den Weltruf der Hofglockengießerei von Franz Schilling Söhne in Apolda begründet hat. ..."
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